Schon gewusst? Im Gesundheitshandwerk werden Materialien aus der Raumfahrt verwendet! Der Mensch kann bis zu 400.000 Töne unterscheiden – ein Hörgerät unterstützt dabei. Früher wurde Zahnersatz aus Elfenbein, Holz, Kautschuk oder Knochen gefertigt. Jede Prothese ist ein Unikat. Und heutzutage auch gerne ein buntes!
Das Camp
Im Berliner wannseeFORUM, direkt am kleinen Wannsee, haben 22 Jugendliche in den Herbstferien 2021 zusammen das Gesundheitshandwerk erkundet. Dabei sind sie mit neuen Leuten ins Gespräch gekommen, haben Betriebe besichtigt, sich inspirieren lassen und vor allem Werkzeuge, Methoden sowie sich selbst ausprobiert und dabei eigene Ideen umgesetzt.
In drei Werkstätten – oder anders gesagt „maker spaces“ – entwickelten die Jugendlichen in 5 Tagen Lösungen zur Frage „Wie können Barrieren im Alltag für Menschen mit Behinderung minimiert oder sogar beseitigt werden?“. Sie probierten sich in einer Material-, einer 3D-Druck- und in einer Medienwerkstatt zum nachhaltigen Gesundheitshandwerk und dem Greening der Berufe aus.
Kurze, interaktive Impulse zum Thema Nachhaltigkeit beleuchteten mit den Jugendlichen die Zusammenhänge zwischen unserer Lebensweise und den Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt. Die Meinungen der Jugendlichen zu ihrer Zukunft dazu war gefragt und erhielten den nötigen Raum, genauso wie ihre Wünsche und Ängste. Am Schluss haben die jungen Menschen konkrete Forderungen für Gegenwart und Zukunft aufgestellt.
Empathie | Am ersten Tag ging es darum, Empathie für verschiedene Einschränkungen zu erfahren: In einem Sensibilisierungsworkshop mit dem Verein ‚be able‘ konnten die Jugendlichen selbst Rollstühle und Blindenstöcke benutzen und sich damit auseinandersetzen, was eine Behinderung im Alltag insbesondere im Fortbewegen bedeutet. Im Gespräch mit einem Workshopleiter, der selbst im Rollstuhl sitzt, konnten sie Fragen stellen und gewannen so vertiefte Einblicke in sein Leben mit Rollstuhl. Dabei wurde auch klar: es gibt viele verschiedene Gründe, warum ein Mensch im Rollstuhl sitzt und ebenso viele individuelle Umgänge damit – die Erfahrungen des einen lassen sich nicht mit den Erfahrungen einer anderen gleichsetzen.
Qual der Wahl | Im weiteren Verlauf konnten sich die Jugendlichen für die Teilnahme an einer von drei angebotenen Werkstätten entscheiden. In drei verschiedenen Teams wurden die Jugendlichen zu Handwerker*innen, Erfinder*innen, Designer*innen und Medienmacher*innen in einer grünen Berufswelt. Dabei kamen die Fragestellungen für die Jugendlichen aus den Erfahrungen des Workshops: welche Erfindungen können einem Menschen mit einer bestimmten Einschränkung den Zugang zu bestimmten Orten oder Tätigkeiten erleichtern? Mit der Unterstützung der Werkstatt-Teamer*innen entwickelten sie in Kleingruppen Produkte und Hilfestellungen.
In der Medienwerkstatt standen Ton-, Bild und Filmaufnahmen auf dem Plan, um die Rollstuhlzugänglichkeit von Orten und Wegen im wannseeFORUM darzustellen. Vor-Ort-Aufnahmen und Infovideos mit Stop-Motion-Technik ergänzten sich gegenseitig. Am Ende entstanden mehrere Kurzfilme, die mittels neuer Technik reale Barrierefreiheiten thematisieren. Die Teams in der 3D-Druckwerkstatt entwarfen Prototypen aus dem 3D-Drucker. Im Fokus dabei stand der out of the box-Ansatz: etwas fertigen, was es noch gar nicht gibt! Sie entwickelten beispielsweise einen geländegängigen Rollstuhl oder eine Brille, die Menschen mit eingeschränkter Farbwahrnehmung wieder ermöglicht, alle Farben zu sehen. In diesem Feld bewegte sich auch die Materialwerkstatt: sie beschäftigten sich im Produktdesign mittels „fast prototyping“ mit Materialien wie Holz, Papier, Plastik und Kabelbindern. Im Laufe mehrerer Tage entstanden ein Regenschutz für Rollstühle, verlängerte Greifarme und vieles mehr! So fertigten die Jugendlichen aus bekannten Materialien neue Produkte.
Realitätscheck | Was passiert eigentlich in einer Orthopädiewerkstatt? Zusammen haben die Jugendlichen die Firma Seeger besucht und nicht schlecht gestaunt: die Fertigungsschritte, die es braucht, bis eine Prothese steht, sind fast unzählbar. Zum Einsatz kommen vielfältige Materialien und Maschinen wie Gipsdruck, 3D-Drucker, Kunststoffe, Epoxidharz, Metall und Elektronik. Jede Prothese ist ein Unikat, und die Fertigung ist dabei ähnlich wichtig, wie das Üben und Erlernen des (Um)Gangs damit. Mittels 3D-Scan konnten die Jugendlichen schließlich sich selbst abbilden lassen und sich als kleine 3D-Skulptur ausdrucken lassen.
Ein buntes Abendprogramm garantierte darüber hinaus Spaß: gemeinsames Stockbrot backen, eine Nachtwanderung, Kennenlernspiele und ein Quizabend standen auf dem Programm. Nicht zu vergessen: ein Kicker- und Tischtennisturnier bei der von den Jugendlichen selbst organsierten Abschlussparty.
Außerdem war die Woche geprägt von: Erfahren, erkunden, erleben – mit, aber auch mal ohne Sprache, intensive Erlebnisse, über sich hinauswachsen und intensive Debatten über rein vegetarische Ernährung, wenig Schlaf sowie Sturm und Sonne – alles, was so ein Herbstcamp ausmacht.
Präsentation | Zum Abschluss des Camps präsentierten die Teilnehmenden die Ergebnisse ihren Eltern, Freund*innen oder Verwandten: alle Werkstätten konnten zeigen, was sie in der Woche entwickelt haben und sich den Fragen – und der Bewunderung – des Publikums stellen.
Resümee | Man nehme 22 Teilnehmende und gebe ihnen: 6 Tage + 5 Teamer*innen + 4 Mahlzeiten am Tag + 3 Werkstätten + 2 Lagerfeuer + 1 wannseeFORUM = heraus kam eine wunderbare, gemeinsame und ideenreiche Woche voller Abwechslung – das ist das CARE4FUTURE-Camp Herbstferien 2021.
Wir danken allen Praxispartner*innen und Werkstatt-Dozent*innen für ihr Engagement und die tolle Unterstützung!
Die Ideen aus dem Camp
Unternehmen, Organisationen oder Kommunen stellen bei mach Grün! reale Nachhaltigkeits-Fragestellungen aus ihrer Praxis. Jugendliche aus den Camps entwickeln zu einer solchen Praxis-Challenge ihre eigenen Ideen und setzen diese um.
Die einzelnen Ergebnisse der Teilnehmenden des Camps gibt es hier:
Medien-Werkstatt: Infovideos zu Barrieren
3D-Werkstatt: Ketten-Rollstuhl, Spezial-Brille und Armverländerung