Textilien begleiten uns überall in unserem Alltag. Wir tragen sie auf der Haut, sitzen darauf oder transportieren Sachen darin. Dafür, dass sie so eine tragende Rolle in unseren Leben spielen, beschäftigen wir uns allerdings sehr wenig mit ihrer Herstellung. Welchen Weg haben die Rohstoffe hinter sich? Welche Chemikalien werden für die Produktion verwendet? Unter welchen Arbeitsbedingungen werden die Textilien hergestellt? Wo und wie kann man das Traditionshandwerk eigentlich noch in Deutschland erlernen und welche Berufe gibt es in dem Bereich?
Auf dem viertägigen Sommercamp in Ehningen bekamen die zehn Teilnehmenden tiefe Einblicke in die Fertigungsprozesse von Textilien und erkundeten Ideen für nachhaltige Lösungen in der Mode. Dabei kam natürlich auch das Nähen und Designen in der Nähwerkstatt nicht zu kurz.
Zu Beginn des Camps ging es zunächst um das Kennenlernen. Alle Teilnehmenden überlegten sich, mit welchen ihrer Fähigkeiten sie sich am besten in das Camp einbringen könnten, welche Wünsche und Erwartungen sie an die gemeinsame Zeit hatten und berichteten von ihrer Motivation, warum sie sich für das Camp angemeldet hatten. Auch Sorgen und Ängste wurden dabei thematisiert. Nach ein paar aktiven (Kennlern-)Spielen überraschte Camp-Köchin Hanna alle mit einem Apple Crumble aus selbst gepflückten Äpfeln mit Eis. So ging es gut gestärkt und ausgetobt in die nächste Phase. Gemeinsam mit Teamerin Miriam befassten sich die Jugendlichen mit dem großen Thema der Nachhaltigkeit. Was bedeutet Nachhaltigkeit für mich und für die Gesellschaft? Was sind die verschiedenen Formen und Strategien der Nachhaltigkeit? Schließlich gab Teamerin Hanna allen Teilnehmenden noch eine ausführliche Einführung in die Nähwerkstatt. Während des ganzen Camps hatten die Jugendlichen viel Gelegenheit, an ihren Praxisprojekten zu arbeiten, Muster zu erstellen und Ideen in der Werkstatt auszutauschen. Der erste Camptag endete mit einem gemeinsamen Abendessen und einigen aufregenden Spielrunden Werwolf bis in die Abendstunden.
Am nächsten Tag stattete Alicja Hegele, Inhaberin des Kindermodelabels Kapelusch, dem Camp einen Besuch ab. Mit im Gepäck hatte sie mehrere Kisten voller Stoffreste aus ihrer Produktion und interessante Einblicke in ihren Alltag in der regionalen Textilproduktion. Auch Teamleiterin Hanna teilte an diesem Tag ihre Erfahrungen in der Textilproduktion. Nachdem in kleinen Gruppen die Begriffe Fast Fashion und Slow Fashion gemeinsam erforscht wurden, berichtete Hanna von den Arbeitsbedingungen in Textilproduktionsstätten in Südostasien, wo sie mehrere Monate verbrachte. Dabei erläuterte sie auch im Detail die einzelnen Fertigungsschritte, die ein Kleidungsstück durchlaufen muss und welche Strecken es entlang der textilen Kette zurücklegen muss, bis es in unserem Kleiderschrank ankommt.
Besonders erschreckend war auch Hannas eindrückliche Schilderung der ökosozialen Missstände, die die globale Textilproduktion befördert. Im Anschluss an die ausgedehnte Diskussion ging es für die Campbesucher*innen daran, auf die theoretisch diskutierten Lösungen praktische Taten folgen zu lassen. Als Praxisaufgabe hatten sie den Auftrag, einen neuen Nutzen für übrig gebliebene Stoffreste und aussortierte Kleidungsstücke zu finden, sodass möglichst wenig der aufwändig produzierten Textilien im Müll landen muss. Mit viel Begeisterung wurden hier bereits in Vorbereitung auf den Unternehmensbesuch erste Moodboards und technische Zeichnungen entworfen, Prototypen genäht und Schnitte entwickelt. Den Abschluss des Tagesprogramms bildeten die Online-Interviews, in denen die Teilnehmenden in verschiedene berufliche Werdegänge hineinschnuppern konnten und sich von den Bildungswegen und praktischen Berufserfahrungen von Praktiker*innen inspirieren lassen konnten. Die Bekleidungstechnikerin Elke Otto und die Schuhmachermeisterin und Modelltechnikerin Mara Klötzing berichteten von ihren Erfahrungen als nachhaltig wirtschaftende Handwerkerinnen.
Am Mittwoch ging es gleich nach dem Frühstück mit der Bahn nach Esslingen in die Manufaktur des Unternehmens wasni. Mit im Gepäck waren die Protoentwürfe und die vertrauten Nähmaschinen aus der Nähwerkstatt, die in einem kleinen Atelier wieder aufgebaut wurden, das an diesem Tag als Werkstatt diente. Zunächst führte Geschäftsführer Daniel Kowalewski die Gruppe durch die Produktionsstätte und berichtete von der inklusiven Organisationskultur bei wasni, bevor die Teilnehmenden sich an die konkrete Umsetzung der Praxisaufgabe machten. Mit Hilfestellung der Teamer*innen und der wasni-Praktikantin Paula Reder (Ausbildung zur Modedesignerin und Maßschneiderin) konnten hier viele kreative Projekte umgesetzt werden, die bei der anschließenden „Modenschau“ in großer Runde präsentiert wurden.
Bevor es am letzten Tag ans gemeinsame Aufräumen ging, hatten die Teilnehmenden noch die Möglichkeit, Camp-Köchin Hanna Döring nach ihrem beruflichen Werdegang zu befragen. Hanna ist auch ausgebildete Maßschneiderin und im Moment im Prozess, sich mit „Kleidung für Möbel“ – textile Werke für Innenräume – selbstständig zu machen. Sie erzählte viel zu den Chancen und Hürden einer Ausbildung und ihren Erfahrungen als Kostümverantwortliche in Filmproduktionen. Ausgestattet mit all den Informationen der vergangenen Tage zu Handwerk, Möglichkeiten von Ausbildung/Studium und zu verschiedenen Betriebsformen, gingen die Teilnehmenden abschließend noch in die Reflexion: Welcher Bildungsweg ist der richtige für mich? Wo möchte ich hin? Was ist mir wichtig bei der Berufswahl? Angeleitet von Teamerin Miriam reflektierten die Jugendlichen anhand des Ikigai-Modells die Wünsche und Vorstellungen, die sie an ihr zukünftiges Arbeitsleben haben.
Wir danken allen Praxispartner*innen und Teamer*innen für ihren Einsatz und die tolle Unterstützung!
Die Ideen aus dem Camp
Unternehmen, Organisationen oder Kommunen stellen bei mach Grün! reale Nachhaltigkeits-Fragestellungen aus ihrer Praxis. Jugendliche aus den Camps entwickeln zu einer solchen Praxis-Challenge ihre eigenen Ideen und setzen diese um.